Mein Hund hat mein Kind gebissen
Hunde an Bord,  Persönliches

Mein Hund hat mein Kind gebissen – Gefühle, Scham und Prävention

Wie die Überschrift bereits sagt, mein Hund hat mein Kind gebissen. Der Beißvorfall passierte vor ziemlich genau vier bzw. inzwischen sogar fünf Jahren und so lang hat es gedauert, bis ich das Geschehene nun zu „Papier“ bringen kann. Ich hatte den Text schon ein Jahr lang fertig und nun nochmal über ein Jahr gebraucht, bis ich ihn online stellen konnte.
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Gedanken, Gefühle, Scham, dass es so weit kommen konnte, mein Hund hat mein Kind gebissen. Es schwingt immer noch nach. Ich muss dazu sagen, ich habe über 12 Jahre hauptberuflich als Hundesitter gearbeitet. Hunde und ihr Ausdrucksverhalten sind mir mehr als bekannt. Dieser Punkt, dass mir als „Profi“ so ein Fehler unterläuft, hat mich zusätzlich traurig gemacht.

Mein Hund hat mein Kind gebissen – die Vorgeschichte

Bevor ich zur Situation komme, möchte ich ein wenig ausholen. Meine Hündin, eine unsichere Rehpinscher-Dame, war zu dem Zeitpunkt bereits ca. 8 Jahre bei uns. Sie kam aus zweiter Hand und hat dort keine guten Erfahrungen mit Kindern machen können. Von Beginn an, war ihr Verhältnis zu Kindern sehr angespannt. Kamen ihr Kinder zu nah, ging sie nach vorn. Mir war das sehr wohl bekannt. Auch mit fremden Menschen oder fremden Hunden, war sie immer unsicher im Umgang.

Bis zu diesem Zeitpunkt damals, vor fünf Jahren, gab es bereits zwei Beißvorfälle mit ihr und Menschen. Einmal biss sie in eine Hand, die ihr jemand zu streckte und ein anderes Mal sogar in das Gesicht einer Freundin, die sich zu ihr runterbeugen wollte. Das Ganze ging blitzschnell. Gerade der Biss ins Gesicht war ein Schock für mich und natürlich auch für die Freundin. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine Kinder und sicherten sie ab da immer mit Maulkorb. Sie war schnell überfordert und generell unsicher.

Ein Baby zieht ein – mein Hund mag keine Kinder

Nun war es so weit, ich war schwanger. Während der Schwangerschaft war alles bestens, die Hunde waren anhänglich und lagen auf und neben meinem Bauch. Als ich mit dem Baby nach Hause kam, brachten wir die Hunde erstmal mit dem Baby zusammen. 

Es war aber von Beginn an klar, dass wir sehr auf sie und die Situationen achten müssen. Ich habe sie nicht direkt an den Kleinen herangelassen, nur unter meiner Aufsicht. Zusätzlich hatte wir ein Octagon als Laufstall, also einen wirklich großen Laufstall, sodass beide Parteien ihre Ruhe voreinander hatten.

Irgendwann wurde ich nachlässig.

Der Beißvorfall – Ablauf

Mein Sohn war nicht ganz 14 Monate alt und wir waren allein zuhause. Ich werde es wohl nie vergessen. Wir saßen im großen Bett und haben „Weißt du, wie lieb ich dich hab?“ geschaut. Meine Hündin durfte am Fußende unter der Decke schlafen.

Dann geschah alles ganz schnell. Mein Sohn schmiss sich nach vorn und sie schoss wie eine Muräne aus der Decke hervor. Zack, Aufschrei! Für einen kurzen Moment dachte ich, er hat sich nur erschreckt und dann sah ich es.

Das Blut. Panik. Keiner zuhause, was tun? Natürlich das Kind beruhigen, die blutige Lippe kühlen, versuchen, die Blutung zu stoppen. Das gelang mir zum Glück alles auch recht schnell. Danach versuchte ich meinen Mann zu erreichen, er möge nach Hause kommen. Das Ganze dauerte allerdings noch, was vielleicht auch ganz gut war.

Es war bereits Abend und am übernächsten Vormittag hatte ich sowieso einen Termin beim Kinderarzt. So entschied ich, nicht sofort hinzu fahren und meinem Sohn noch mehr Stress zu ersparen. Die Verletzung war unschön, aber oberflächlich. Lippen bluten generell sehr stark.

Dazu ist sie mit ihren Zähnen knapp am Auge vorbei gerutscht, am Nasenrücken des Kleinen hängengeblieben und einmal nach unten gerutscht. Er hatte also einen Kratzer auf der Nase und einen kleinen, feinen Riss in der Lippe.

Der Arztbesuch

Als ich ihn 36 Stunden später der Kinderärztin vorstellte, bestätigte sie mir, dass wir Glück hatten. Verletzungen an der Lippe sollten normalerweise immer einem Kinderkrankenhaus vorgestellt werden, denn wenn ein Riss in der Lippe nur einen Müh falsch zusammenwächst, wird dies für immer sichtbar sein und die Lippe schief aussehen. Vorsichtshalber erhielten wir noch Antibiotika. Alles verheilte gut, aber noch heute, vier bzw. fünf Jahre später, sieht man an manchen Tagen, den kleinen hellen Strich, die kleine Narbe an der Lippe.

Immer wenn wir sie sehen, werden wir an diesen Vorfall erinnert. Ich ganz besonders, denn ich war live dabei.

Unsere Ärztin erzählte mir auch noch, dass das Kinderkrankenhaus hier in Hamburg auch auf Beißvorfälle mit Kindern spezialisiert sei, denn diese kommen leider wesentlich öfter vor als wir denken.

Was tun mit dem Hund?

Mein Mann wollte unsere Hündin danach abgeben. Er konnte ihre Nähe nicht mehr ertragen und ihm war das Risiko zu groß. Es stand also einige Zeit auf der Kippe, was mit ihr passiert. Auch wenn sie ein schwieriger Hund war, hing ich an ihr und konnte mir nicht vorstellen, sie wegzugeben.

Der Beißvorfall war MEINE Schuld, nicht ihre. Natürlich darf ein Hund so nicht reagieren, aber mein Kind sollte auch nicht unter ihr Leiden.

Für den weiteren Weg muss man jetzt differenzieren:

  • Wie gut sind meine Hunde-Kenntnisse wirklich? Kann ich meinen Hund lesen und Situationen richtig einschätzen?
  • Traue ich mir zu, den Hund und alle kommenden Situationen, bis zu seinem Tod richtig einzuschätzen und ggf. Kind und Hund dauerhaft trennen zu können?
  • Ist das Leben für den Hund mit Sanktionen in meiner Familie noch artgerecht? Kann ich ihm noch gerecht werden?
  • Was war die Absicht meines Hundes? Die wenigsten Hunde haben eine Tötungsabsicht, aber selbst kleinere Vorfälle können große Verletzungen hinterlassen.
  • Hat mein Kind mein Hund geärgert/in die Ecke gedrängt?
  • Hat mein Hund öfter geknurrt und wir ihn dafür geschimpft?
  • Habe ich selbst Angst vor meinem Hund?

Auch wenn wir unseren Hund nicht abgegeben haben, kann es manchmal die bessere Wahl sein. Nicht immer tut man dem Hund einen gefallen, wenn man ihn in der Familie belässt.

Prävention ist hier das Stichwort!

Wenn ich im Internet Fotos von Kindern und Hunden sehe, auf denen die Kinder auf Hunden sitzen oder die Hunde auf dem Schoss einer Person und das Kind steht davor, während der Hund bereits die Ohren leicht zurücklegt, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Viele Hundehalter schätzen ihre Hunde völlig falsch ein und es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Reaktion folgt.

Ein Hund darf knurren

Wenn ihr euren Hund für Knurren schimpft, wird er es irgendwann unterlassen. Allerdings ist Knurren die Vorstufe, eine Warnung. Darf er nicht mehr warnen, erfolgt im schlimmsten Fall irgendwann die direkte Aktion.

Knurrt euer Hund, reagiert schnell und bringt ihn aus der für ihn vielleicht unangenehmen Situation. Knurrt er aus anderen Gründen:

  • Kind nähert sich seinem Spielzeug
  • seinem Futter
  • seinem Schlafplatz
  • einer anderen Person der Familie

ist hier höchste vorsichtig geboten! Es ist auch keine Schande, einen Hund nach einem Maulkorbtraining einen Maulkorb tragen zu lassen. Egal wie klein der Hund sein mag.

Unser Leben nach dem Beißvorfall  Mein Hund hat mein Kind gebissen - über Gefühle und Gedanken

Nach dem Beißvorfall wurden Kind und Hund strikt getrennt. Sie hat harte Auflagen von uns bekommen, Ansagen wurden wieder konsequent durchgesetzt. Es hat eine lange Zeit gedauert, bis wir mit ihr wieder etwas besser umgehen konnten. Bei meinen Mann länger als bei mir. Der Kleine wurde größer und normalerweise war unser Rüde sein Freund, der widerrum sehr kinderfreundlich war. Kurz vor dem dritten Geburtstag meines Sohnes mussten wir unseren Rüden Billy gehen lassen. Nun gab es nur noch sie, unsere Hündin Erna und unseren 3-jährigen Sohn.

Die Dynamik hat sich verändert. Ich war immer noch sehr angespannt, wenn sie sich ihm näherte und habe Kontakt nur zugelassen, wenn sie sich ihm unterwürfig näherte. Sie wurden Freunde. Ich konnte es nicht fassen. Sie war inzwischen eine Hunde-Omi und schmiss sich auf den Rücken, ließ sich von ihm kraulen und lag bei ihm.

Ganz wohl war mir nicht, aber es hatte sich etwas verändert.

Lernt eure Hunde zu lesen

Mein Hund hat mein Kind gebissen und das kann ich nie wieder rückgängig machen. Mit der Schuld muss ich leben und ich konnte lange nicht darüber sprechen. Dazu kommt, dass ich zu dem Zeitpunkt schon viele Jahre hauptberuflich mit Hunden gearbeitet habe und mir doppelt Vorwürfe machte, wie mir so ein Fehler passieren konnte.

Das ist auch der Grund, warum ich erst jetzt, vier bzw. fünf Jahre später, über diesen Beißvorfall schreiben kann.

Als im März 2020 unser zweiter Sohn geboren wurde, war unsere Hündin ihm gegenüber viel gelassener als dem Großen damals. Dennoch habe ich die beide niemals wirklich zusammengelassen. Als Säugling lag er hoch und sie auf dem Boden. Lag er auf dem Boden, kam sie in den Flur, der mit Trenngitter abgesperrt war.

Ich brauchte diese Sicherheit nicht nur für mein Baby, sondern auch für mich und meine Nerven.

Wir haben jetzt Oktober 2022 und unsere Hündin ist im August 2020 ebenfalls gestorben. Nun leben wir schon 2 Jahre ohne Hunde und das wird auch erstmal so bleiben.

 

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